Das Stadthaus: Petra und Paul Kahlfeldt, Hans Kollhoff, Tobias Nöfer

Das Stadthaus: Petra und Paul Kahlfeldt, Hans Kollhoff, Tobias Nöfer


Eine Veranstaltung in der Reihe “Bauen und Wohnen”



Gerwin Zohlen
Das noble Berlin.
Drei Stadthäuser.

Zu den verblüffenden und immer noch nicht hinreichend geklärten Phänomenen der deutschen Nachkriegsarchitektur zählt, dass das mittlere
Bürgertum, der umstandshalber so genannte und aktuell durch allerlei finanzpolitische Machinationen von Depravierung bedrohte Mittelstand, über vierzig Jahre hinweg der Architektur weitgehend die Gefolgschaft versagte. Das lag sicher nicht an den finanziellen Mitteln dieser Klientel, die in den Zwanziger Jahren der architektonischen Moderne durch erste Bauaufträge zum Durchbruch verhalf, indem sie jenen Stil und Geschmack als zeitgemäßen kulturellen Ausdruck adaptierte und sich damit repräsentiert fand. Schon fünfzehn Jahre nach Kriegsende sprudelten seine finanziellen Quellen wieder kräftig; das „Wirtschaftswunder“ zahlte sich aus. Gleichwohl fand dieser Mittelstand sich weit eher mit Fertighaus, Bungalow und dem Sozialen Wohnungsbau ab oder kaufte ein Haus der Neuen Sachlichkeit, als dass er Architekten einen Auftrag zum Wohnhausbau erteilte. Es mag sozialpsychologisch eine Rolle gespielt haben, dass Architektur allgemein durch die Erblast der im Dritten Reich „gebauten Weltanschauung“ kontaminiert war. Doch ist das Phänomen dadurch nicht ausreichend erklärt. Eher dürfte die überwältigende gesellschaftliche Dominanz der funktionalistischen Architekturästhetik des „gebauten Millimeterpapiers“ (Martin Mosebach) dafür verantwortlich gemacht werden müssen. Allemal reichte die Verweigerung so weit, dass der allem Reaktionären völlig unverdächtige Julius Posener bereits in den 1980er Jahren „seine“ Architekten warnte: „Kinder, denkt an die Bauherrn! Ohne Bauherrn keine Architektur. Ein Bauherr mag den Kunstwert eines Hauses schätzen, was er aber will, ist nicht ein Kunstwerk, sondern ein Haus.“

Erst in der letzten Dekade hat sich die Entfremdung von Mittelstand und Architektur etwas gelegt und jener sympathisiert erneut stärker mit dieser. Auch dafür gibt es keine schnelle und einfache Erklärung, doch sind die Effekte landauf landab im Privathausbau und kulturell-handwerklich wieder „angereichertem“ Stadthausbau zu beobachten, nachdem der Funktionalismus die Architektur bis zur Unerkennbarkeit ausgemergelt und ausgezehrt hatte. Der Berliner Werkbund zeigt drei variante Typen solcher Stadthäuser, alle drei architektonisch durchgearbeitet und alle drei mit bauplastischen Details versehen, von denen man vor zwanzig Jahren noch gedacht hat, sie seien der Furie des Verschwindens begegnet: Gesimse, Säulen, Erker, Fensterfaschen, Dachgiebel, Prostylen und anderes mehr. Vor allem aber in sich ausgewogene Proportionen, die Grundgeste der architektonischen Höflichkeit gegenüber dem städtischen Publikum. Sie war so gut wie verschollen.

Orte und Aufgabe der drei Typen sind sehr verschieden. Das eine ist ein klassisches MUO (Mixed Used Objekt), das mischgenutzte Haus als Hardware des Innenstadtkörpers. Angemessen und angenehm zeigt sich bei Tobias Nöfer der Wohlstand des medizinischen Milieus – warum sollten immer nur „Bankster“ mit ihrem ausgelaugtem Aluchic und Großglastafeln das Gesicht in die Stadt halten dürfen? Konträr dazu die Aufgabe des reinen Wohnhauses im vornehmen Vorort Grunewald von Petra und Paul Kahlfeldt. Janusköpfig lässt es sich als ortstypische Villa respektive englisches Landhaus oder als Doppelhaus für die heute kleiner gewordenen Familienzuschnitte lesen. Beide Typen stehen unter dem Rubrum des Weiterbauens im Kontext, nur dass der Kontext jeweils differiert. Schließlich das schmale Reihenhaus am Friedrichswerder von Hans Kollhoff. Hier handelt es sich nicht um ein Weiterbauen, sondern um die modellhafte Wiederaufnahme einer städtischen Konvention, die nicht nur in Berlin selten geworden ist. Der Haustyp des kultivierten innerstädtischen Bürgertums ist nach dessen 100jähriger Verdrängung an den Stadtrand („City-Bildung“) auch in Berlin nur noch vereinzelt und versteckt (etwa in der Genthiner Straße hinter Tordurchfahrten) zu finden. In Gestalt und Gestaltung zeigt die konkrete Ausführung jedoch zugleich, was auch in Berlin mittlerweile wieder (!) getragen werden darf: bescheidene Opulenz, ohne in prunkhaftes Gebaren abzugleiten. Und darin ist dieses Stadthaus in keiner Weise von seinen stilistisch anders gestalteten Nachbarn unterschieden. Der Unterschied ist vielmehr, dass es durch bauplastische Details und ihre Anordnung in Erinnerung ruft, was Architektur vor ihrer Verkümmerung sein konnte.

Ausstellungsort:Werkbund Galerie Berlin
Adresse:Goethestraße 13
Berlin
Deutschland
Zeitraum:16.08.2012 - 07.09.2012
Link:Internetseite der Ausstellung


Das Stadthaus: Petra und Paul Kahlfeldt, Hans Kollhoff, Tobias Nöfer